Am vergangenen Wochenende fanden die Gedenkveranstaltungen rund um die zentrale Gedenkfeier, anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung des ehemaligen KZ Bergen-Belsen, am Sonntag, den 27. April, statt. Das Team des Projektes “Kompetenzstelle gegen Antiziganismus” (KogA) war ebenfalls beteiligt. So startete am Freitag die Veranstaltungsreihe der Gedenkstätte Bergen-Belsen u.a. mit einer Führung auf dem Gedenkstätten-Gelände, gemeinsam durchgeführt von Lukas Engelmeier und Kolleg*innen der Stiftung Niedersächsischer Gedenkstätten. In bewegenden Gesprächen berichteten Überlebende von ihrer Befreiung — etwa von dem sogenannten „Verlorenen Zug“, der nach langer Irrfahrt von Bergen-Belsen bei Tröbitz durch die Rote Armee befreit wurde. Die Arbeit von KogA stieß bei den Nachkommen auf großes Interesse. Es entwickelten sich spannende Diskussionen über die deutsche und amerikanische Erinnerungskultur — über Errungenschaften, aber auch über Leerstellen. Besonders die lange fehlende Anerkennung des Völkermords an den Sinti* und Roma* sowie der Umgang mit NS-Akten in der Nachkriegszeit lösten tiefgehende Reflexionen über Kontinuitäten von NS-Unrecht aus. Wir sind dankbar für die Begegnungen, das Vertrauen – und das gemeinsame Erinnern.

Sinti* und Roma* wurden im ehemaligen KZ Bergen-Belsen und dem „Lager II“, dem Gelände der ehemaligen Wehrmachtskaserne der SS, Bergen-Hohne, unter katastrophalen Bedingungen gefangen gehalten, ausgehungert, unterversorgt und wurden durch Hunger und Krankheiten ermordet. Insgesamt wurden etwa 1.800 Sinti* und Roma* im KZ-Bergen-Belsen gefangen gehalten. Sinti* und Roma* waren die drittgrößte Gruppe der Häftlinge in Bergen-Belsen.

Im Jahr 1945, am 15. April, wurden die Überlebenden Sinti* und Roma* in Bergen-Belsen schließlich von der britischen Armee befreit. Ihr Leid und die erlebte Ausgrenzung und Diskriminierung in Deutschland endete jedoch nicht an diesem Tag. Bis heute werden Sinti* und Roma* auf allen gesellschaftlichen Ebenen diskriminiert. In der Bildung, auf dem Arbeitsmarkt – selbst ihre Staatsbürgerschaft in Deutschland und anderen Ländern, wird ihnen häufig explizit oder implizit abgesprochen.

Die Gedenkfeier am Sonntag fand in Bergen-Belsen am Obelisken vor der Gedenkmauer statt. Überlebende, Politiker*innen und Besucher*innen kamen um 13:30 Uhr zusammen, um den Verfolgten, den Toten zu gedenken und ihr Leben und ihre Erfahrungen in gemeinsamer Erinnerung festzuhalten.

Die Gräueltaten der Nationalsozialist*innen wurden in der gestrigen Gedenkfeier durch die Erfahrungen von den Überlebenden Mala Tribich, Greet Coopman, Ivan Lefkovits und der Kinder des Displaced Person Camps: Debbie Morag und Menachem Rosensaft, in bewegenden Reden geschildert. Dabei haben alle Redner*innen, unter denen auch die stellvertretende Premierministerin Großbritanniens Angela Rayner, der Ministerpräsident Nds. Stephan Weil, der israelische Botschafter in Deutschland Ron Prosor waren, an die Zuhörenden und die Weltgemeinschaft appelliert. Sie appellierten u.a. daran, dass ein “nie wieder” ein Aufruf zum aktiven Handeln ist und, dass dieses Handeln in unser aller Alltag möglich und nötig ist, in dem wir bei Ausgrenzung, Hass, sogenanntem Othering und Diskriminierung, die in unserer heutigen Gesellschaft wieder und immer noch stattfinden, nicht wegschauen.

In diesem Sinne endete die Gedenkfeier um 15:30 Uhr mit dem Verlesen der uns bekannten Namen derer Überlebenden Bergen-Belsens, die im letzten Jahr bis heute verstorben sind. Im Laufe des weiteren Nachmittags fanden noch weitere kleinere Gedenkzeremonien am Hochkreuz (Gebet von Landesbischof Ralf Meister und Bischof Dr. Heiner Wilmer) und am jüdischen Mahnmal statt. Die Ansprache am jüdischen Mahnmal hielten der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Dr. Josef Schuster und der Oberrabbiner des Vereinigten Königreiches Sir Ephraim Mirivis.