Am gestrigen 9. April wurde der Koalitionsvertrag der Union und SPD veröffentlicht. Dazu möchten wir uns im Folgenden äußern und unsere Kritik und Bedenken, bezogen auf das Thema Antiziganismus im Koalitionsvertrag, darlegen. Das Thema Antiziganismus kommt darin nicht vor. Die Spezifik und Bedeutung des Rassismus gegen Sinti* und Roma* findet im zentralen Leitfaden der neuen Bundesregierung somit keinen Raum. Ein klares Bekenntnis zur Bedeutung des Phänomens Antiziganismus und eine damit verbundene Fortsetzung der Arbeit des Bundesbeauftragten gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Sintizze sowie Roma und Romanja in Deutschland suchen wir vergeblich, stattdessen wird die „Halbierung der Beauftragten des Bundes“ (S. 53, Koalitionsvertrag) angekündigt.   

Das Bekenntnis der Koalition zu einem „besonderen Schutz und einer spezifischen Förderung der gesetzlich anerkannten nationalen Minderheiten“ (S.119, Koalitionsvertrag), darunter Sinti* und Roma*, greift sprachlich zu kurz, um die zunehmende Bedrohungslage durch Antiziganismus und dessen Wirkungsweise angemessen zu beschreiben. 

Die Formulierungen zur Demokratieförderung als Reaktion auf Extremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit irritieren mehr, als dass sie ermutigen. Von einem Demokratieförderungsgesetz ist keine Rede mehr, stattdessen soll „Demokratie leben!“ zwar fortgesetzt werden, aber zugleich unabhängig überprüft und die Verfassungstreue der geförderten Projekte sichergestellt werden. Hier drückt sich leider ein gewisses Misstrauen gegenüber der engagierten Zivilgesellschaft aus, anstatt deren Stärkung zu sichern. Auch der Extremismusbegriff im Koalitionsvertrag erinnert an die sogenannte “Hufeisentheorie”, nach der zwischen Links- und Rechtsextremismus nicht klar differenziert wird und Extremismus in der sogenannten Mitte des politischen Spektrums nicht vorkommt. Somit wird eine klare Benennung der rechten Bedrohungslage in Deutschland vermieden und damit auch eine Vorstellung davon, wie auf diese wirksam reagiert werden könnte. Anstelle von aufwendigen und teuren Überprüfungen und Druck durch Mechanismen der Kontrolle von Verfassungstreue, die ohnehin jede gesellschaftliche Organisation einhalten muss, sollte ein klares Bekenntnis zu Stärkung, Finanzierung und Unterstützung der Zivilgesellschaft und Demokratieförderung erfolgen!

Es scheint, als würde im Koalitionsvertrag das Engagement gegen die rechte Bedrohungslage in Deutschland sowie für die Demokratieförderung einem bestimmten parteipolitischen Lager zugeordnet. Anstatt die Unterstützung und Stärkung dieses Engagements als einen parteipolitisch unabhängigen, gemeinsamen Kraftakt der demokratischen Parteien Deutschlands zu verstehen und zu formulieren.

https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag_2025.pdf