Als Kompetenzstelle gegen Antiziganismus (KogA) nehmen wir Stellung zu der fortlaufenden Diskussion um die Pride-Flagge am deutschen Bundestag zum Christopher-Street-Day in Berlin am 26. Juli.

Um der Chronologie der Ereignisse zu folgen, gehen wir zuerst auf Julia Klöckners Rechtfertigung ein, weshalb sie, trotz Kritik, daran festhält am 26. Juli die Pride-Flagge am Bundestag nicht zu hissen. In dieser Stellungnahme thematisierte Klöckner die weltweite Christenverfolgung und setzte diese gleich mit der Diskriminierung und Ausgrenzung von queeren Menschen in Deutschland. Hierzu möchten wir in Relation setzen und faktisch richtigstellen. Zunächst einmal sind Sinti* und Roma* die größte und zugleich stark diskriminierte nationale Minderheit in Deutschland. Christen in Deutschland erleben keine nennenswerte Diskriminierung und Ausgrenzung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit. Queere Menschen in Deutschland erfahren allerdings zunehmend Diskriminierung und Gewalt aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität. Weltweite Christenverfolgung als Vergleichsbeispiel für Queerfeindlichkeit in Deutschland zu nehmen, entbehrt also jeder Grundlage. Zusätzlich verzerrt es den Blick auf die Lebensrealität der tatsächlich größten religiösen Minderheiten in Deutschland, die ebenfalls zunehmend Diskriminierung und Ausgrenzung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit erfahren, nämlich: Jüdinnen: Juden und muslimische Menschen. Dieser „Whataboutism“ Klöckners, das Vergleichen von Äpfeln mit Birnen, marginalisiert die realen Erfahrungen von Diskriminierung in Deutschland.

Des Weiteren kritisieren wir die Aussage von Bundeskanzler Friedrich Merz in der ARD-Talkshow „maischberger“, dass die Pride-Flagge den Bundestag zum Zirkuszelt mache. Diese Aussage zieht das Thema der Diskriminierung und Ausgrenzung queerer Menschen – und insbesondere queerer Menschen mit Mehrfachdiskriminierungserfahrung, wie queere Sinti* und Roma* – in Deutschland ins Lächerliche, was dazu führt, dass selbiges klein gemacht wird, unsichtbar und unwichtig. Gegen diese Aussage und die Implikationen der Aussage wollen wir uns positionieren.

Mit seiner Aussage hat Merz, der qua seines Amtes über eine Machtposition verfügt, die Diskriminierung und Ausgrenzung von queeren Menschen verharmlost und lächerlich gemacht. Vor dem historischen Hintergrund, dass queere Menschen ebenso wie Sinti* und Roma* und Jüdinnen:Juden und viele andere Gruppen im Holocaust verfolgt und ermordet wurden, grenzt diese Aussage an Geschichtsvergessenheit. Die Geschichte der Verfolgung und das Erstarken rechter Bewegungen und Parteien zeigt wie sehr sich Ideologien der Menschenverachtung gegenseitig verstärken und etwa queere Sinti* und Roma* in mehrfacher Hinsicht treffen. Wir wünschen uns gerade von Politiker*innen in den höchsten Ämtern historisch informierte Aussagen und ein Bekenntnis zur Vielfalt in Deutschland und gegen Queerfeindlichkeit und andere Formen der Menschenverachtung, insbesondere Antiziganismus.